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Das Gelobte Land | Mount Nebo #10

Aktualisiert: 16. Apr. 2023



Nach Madaba und dem Intermezzo mit den Hunden (Blog #8 und #9) war die Wanderung zum Mount Nebo ein Spaziergang. Einzig, ich musste mich sputen, weil sich dicke Wolken am Himmel ballten und der Wettervorhersage auf der App leider recht gaben. Madaba liegt 700 und der Berg Nebo 800 Meter über Meer und so verlief der Weg mit wenig Anstieg an Ziegenherden vorbei. Als ich mich dem Tagesziel näherte, eröffnete sich mir ein Panorama, das mir den Atem nahm. Zwischen den Gewitterwolken brach die Sonne durch und tauchte die abfallenden Hügelzüge in goldenes Licht, die Wiesen leuchteten Frühlingsgrün und liess das Rinnsal des Jordans und das Tote Meer im Abendschein funkeln.


Was für ein Götterspektakel! Zum Niederknien schön.


Mount Nebo ist für alle drei Religionen, die Moses als Propheten verehren, bedeutsam. Hierher hatte Gott Moses nach dem Auszug nach Ägypten geführt, um einen Blick auf das gelobte Land zu werfen. Das Jordantal, wo Milch und Honig fliessen, hatte Moses selber nie betreten. Laut Überlieferung soll er auf dem Berg Nebo verstorben sein. Daran erinnert die Gedächtniskirche, die im 4. Jahrhundert nach Christus erbaut worden war. Franziskaner erwarben in den 30er-Jahren die Stätte und errichteten einen kleinen Orden. Als Pilgerin des Jerusalemweges stand für mich dort ein Nachtlager bereit.


Bevor ich mich bei der Pforte meldete, wollte ich mit dem Ortsschild ein Selfie machen. Ich war mit Balancieren von Handy, Palmwedel und dem schweren Rucksack beschäftigt, als mich jemand beim Vornamen rief und ich beinahe das Gleichgewicht verlor. Als ich herumfuhr traute ich meinen Augen nicht. Sharif mein Tourguide aus Amman stand vor mir und grinste mich breit an. Er war zeitgleich mit einem saudi-arabischen Gast beim Mount Nebo eingetroffen. Ich nenne Sharif scherzhaft „meinen Bodyguard“, weil er mir die Rundreise nach Petra, Wadi Ram und Aqaba organsiert hatte und mich an allen Orten mit Notfallkontakten versorgt hatte. Das Staunen über den Zufall und die Wiedersehensfreude waren gross und musste festgehalten werden.


Drei Franziskanermönche leben im Orden. Der älteste, Bruder Bernard stellte sich gleich nach meiner Ankunft in die Küche und kochte mir einen Teller Pasta, weil er mich ausgezehrt glaubte. Begründet auf Franz von Assisi sprechen die Franziskanermönche weltweit Italienisch. Eine einheitliche Sprache macht Sinn. Ein Bruder stammte aus Sri Lanka, einer aus Nazareth, vom dritten erfuhr ich die Herkunft nicht, aber ich lauschte fasziniert den Wegen und Beweggründen, warum sich die Männer für ein Mönchsleben entschieden hatten.


Gerne folgte ich auch der Einladung der Messe beizuwohnen. Wann würde ich je wieder Gelegenheit haben, so tiefen Einblick in einen römisch-katholischen Orden zu bekommen. Mir zuliebe wurden Gebete und Passagen aus der Bibel in Englisch rezitiert. Mir sind katholische Rituale nicht geläufig und so nahm ich als stille Zeugin an der vertraulichen Zeremonie teil. Die Schlichtheit der Kapelle und die Hingabe, mit der die Brüder die Messe zelebrierten, berührte mich sehr. Mein Leben einzig Gott zu widmen, könnte ich mir nicht vorstellen, aber ich konnte die Erfüllung des Rufes erahnen.


In mir erwachte eine alte Sehnsucht nach spiritueller Zugehörigkeit, weil ich in unserer westlichen Zivilisation diesbezüglich eine Verarmung spüre. Kirchen haben viel Schindluderei betrieben, kein Wunder wandern die Menschen ab. Wenn es dogmatisch wird oder einer mit seinem Glauben Gewalt oder Unterdrückung rechtfertigt, bin ich raus. Aber fällt die Religion weg, gibt es kaum sinnstiftende Rituale, die das soziale und ethische Zusammenleben regeln. Die Flucht in esoterische Alternativen fand ich auch nicht immer prickelnd, weil bei manch Erleuchteten die Bodenhaftung fehlte. Bei den Franziskanermönchen erkannte ich, dass ich bei meiner Offenheit für Religionen, Schamanismus und Mystik zwischen Stuhl und Bank gefallen war. Ich habe zwar einen stahldicken Telefondraht zum Himmel, aber auf Erden wurstle ich mich meist alleine durch. Mir fehlt eine Gemeinschaft.


Dies wurde mir noch bewusster, als ich die Reisegruppen beobachtete, die zu Kreuz und Gedächtniskirche pilgerten. Eine buntgekleidete nigerianische Worship Truppe lobpreiste mit zum Himmel erhobenen Händen laut und innig Christus und sang ein Halleluja, sodass es mir Gänsehaut bescherte und ich etwas neidisch wurde. Am liebsten hätte ich mich dazugestellt und mitgesungen. Singen ist mein Lieblings-Gottesdienst. Wenn sich Stimmen zu Wohlklang vereinen, spüre ich die Vibes zwischen den Menschen und Gott mit Leib und Seele.


Gedankenversunken über die vielfältigen Beziehungen zwischen Gott und den Menschen, packte ich mein Bündel am anderen Morgen. Ich trat aus dem Haus, um mich für die Abreise zum Toten Meer zu machen, und sah, wie sich ein Regenbogen über das Jordantal spannte. Ich lächelte und wusste. Sie oder er da oben und ich bleiben im Gespräch.


18.- 19. März 2023










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