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Wüstenerfahrung | Wadi Rum ] #5

Aktualisiert: 5. Apr. 2023










Nach Petra ist die Wüste Wadi Rum das Must See in Jordanien, die als Kulisse von Lawrence von Arabien und anderen Filmen bekannt wurde. Die Auswahl an Camps ist erschlagend und so einsam schien die Wüste nicht, wie man sich eine vorstellt. Ich liess mich von einem Guide aus Amman beraten, der mich bei seinem Freund im Enjoy Desert unterbrachte. Camps, die nur von ansässigen Beduinen Sippen betrieben werden dürfen, gibt es von schlicht bis luxuriös und versprechen alle ein unvergessliches Erlebnis unter dem freien Sternenhimmel.


Bei der Tankstelle am Eingang der Wüste lud mich mein Taxifahrer aus Petra ab und überreichte mich genauso sorgfältig wie mein Gepäck einem Jeepdriver. Der junge Beduine war gekleidet wie wir uns Ölscheiche vorstellen; ein langes graues Gewand Thawb, ein weiss-rotes Kopftuch Kufiya, das mit einer schwarzen Kordel Agal festgemacht wird. Und eine dunkle Pilotenbrille. Dass die wichtig ist, entnahm ich der Bemerkung meines Fahrers, als ich meine Sonnenbrille aufsetzte: «Now you look perfect. Scarf and sunglasses.» Das Seidentuch aus Istanbul trage ich inzwischen automatisch als Sonnenschutz und auch um mich der Mehrheit der Frauen auf der Strasse anzupassen. Ich reise als Frau schlicht entspannter, wenn meine Haare verdeckt sind. Es gibt schon genug Erklärungsbedarf, dass ich ohne Ehemann, Vater oder Bruder reise.


Ohne Geländewagen, Kamel oder Pferd gibt es in der Wadi Rum kein flottes Fortkommen. Kaum hatten wir die befestigte Strasse verlassen, ging die Fahrt über Sand und Schotter zum Camp, das auf dem Navi im ersten Viertel des riesigen Reservats markiert war. Ich wurde schön durchgeschüttelt und den Staub wirbelte mit dem Fahrtwind ins offene Fenster. Was sich mir bald eröffnete, war atemberaubend und gab mir eine Ahnung, was die Wüste, wenn man sich wirklich auf sie einlässt, einen schenkt. Und obwohl sich unzählige, gut besuchte Touristencamps an die umliegenden Hügel anschmiegten und immer wieder eine Armada von Jeeps durch das Gelände zog, war es still. Die Weite schluckte allen Lärm und die Ruhe hüllte mich und die anderen Gäste aus Frankreich und Spanien mit dem Einsetzen der Dämmerung ein.


Die Nacht kam unmittelbar. Die Wände meines Häuschens bestanden aus dickem traditionellen Tuchgewebe, die vor Sicht aber nicht vor Kälte schützte. Schichten von Wolldecken sorgten für Wärme, einzig meine Nasenspitze, die aus dem Wust herauslugte, war kalt, als ich nach einem tiefen, seligen Schlaf erwachte. Es gab dieses goldgelbe Sofa in der Felsnische, von dem man den Sonnenaufgang hinter dem Berg auf der anderen Canyonseite beobachten konnte. Ich nutzte den Zeitraffer auf dem Handy und studierte die Konturen der Erhebung, hinter der die Sonne an Leuchtkraft gewann und mich mit dem ersten gleissenden Strahl blendete.


Stille und Stimmung waren mir wichtiger, mir war nicht nach lustiger Klassenfahrt mit anderen Touristen im Jeep Konvoi und so überlegte ich mir, wie ich die Pfade und Felsen rund um das Basislager zu Fuss erkunden könnte. Manager Suleyman plauderte ansonsten schon gerne mit mir und freute sich, dass ich ihn um Rat bat. In der Tat gab es eine einfache Wanderung um das Felsmassiv. Er zeigte mir den Pfad auf der Karte und versicherte mir, dass der Rundweg durch eine kleine Schlucht eindrücklich und an den Sieben Säulen der Weisheit vorbei, sehr einfach wäre. Er würde mich zum Ausgangspunkt hinfahren, um mir eine langweilige Sandwanderung zu ersparen. Ich packte einen Liter Wasser, das Handy mit offline Map, eine Handvoll Datteln, eine Orange, Sonnenschutz und die Wanderstiefel – gut ausgerüstet für zwei Stunden in felsig-sandigem Gelände.


Suleyman setze mich auf einer Düne ab, zeigte auf den schwarzen Stein, der den Einstieg in den kleinen Canyon markierte und brauste zurück, um die neuen Gäste zu begrüssen. In der Mittagssonne leuchtete der korallrote Sand im Kontrast zum Himmelblau. Für meinen ästhetischen Sinn eine Augenweide, die ich unbedingt festhalten musste. Mein oranger Schal setzte mich perfekt in Szene und ich knipste im Farbenrausch mit dem Selbstauslöser Selfies. Um einen Schluck Wasser zu trinken, schob ich mir das Mobilgerät in die Gesässtasche. Um vor dem Losmarschieren die Position und Route zu checken griff ich nach dem Gerät und ich erschrak, als sich nichts regte. Alles An- und Abschalten nutzte nix, das Display blieb schwarz.


Wie war das nur möglich! Es waren doch soeben noch über 60 % Akku! Ich befürchtete das Schlimmste. Überhitzung. Totalabsturz. Keine Ahnung. In der Eile des Aufbruchs hatte ich auch noch die Powerbank in der Unterkunft vergessen.


Die Vernunft würde den Jeep Spuren zurück die langweilige Strecke ins Camp wählen. Die Wanderlust mochte den Canyon und etwas Neues entdecken. Mit Suleyman im Ohr, dass es zwei absolut einfache zwei Stunden, also ein Spaziergang wäre, zog ich unerschrocken los. Der Berg war mir Orientierung und ich war mir meiner Intuition felsenfest sicher.


Die Wanderung durch die kleine Schlucht ging über Gesteinsbrocken, von zarten Frühlingsblumen gesäumt, durch eine Szenerie in den Felsen, die durch Wind und Sand zu bizarren Skulpturen geschliffen worden waren. Suleyman hatte nicht zu viel versprochen, es war ein prachtvoller Spaziergang. Ich kam auch an den sieben Säulen vorbei. Ich setzte mich im offenen Gelände nach dem Canyon in den Schatten eines knorrigen Baumes, ass Datteln und Orange und klopfte mir auf die Schulter. Alles richtig gemacht. Eine Familie sass ein paar Hundert Meter Luftlinie entfernt im Schatten eines Jeeps, Frauen in schwarzen Gewändern kochten Kaffee und Kinder rannten Dünen auf und ab und winkten mir zu.


Ich trat den Rückweg siegesgewiss und mit einem kleinen Glücksgefühl im Herzen an. Ich wähnte mich mit dem meinem Berg vom Sonnenaufgang und der Sonne als Orientierung im Rücken, zielsicher. Als ich plötzlich auf weiter Fläche stand und mich der Sand unter den Füssen anstrengte, winkte ich einen Jeep zum Anhalten. Der Beduine kannte mein Camp nicht, hatte keinen Handyempfang und lachte mich laut aus, als ich sagte, der Berg sei meine Orientierung und der Hotelmanager hiesse Suleyman. Beides gäbe es hier wie den Sand in der Wüste. Die physische Landkarte und die sieben Säulen der Weisheit waren uns zumindest ein Anhaltspunkt. Der gute Mann meinte vernichtend, ich laufe in die völlig falsche Richtung. Er drückte mir noch einen halben Liter Wasser in die Hand und meinte, mehr könne er leider nicht für mich tun und schickte mich zurück.


Desillusioniert nahm ich Kurs auf das nächste Camp in Sichtweite auf, der Sand leistete schön Widerstand. Endlich beim Lager angekommen, musste ich feststellen, dass es gerade erst im Aufbau befand. Handwerker auf dem Platz verstanden kein Englisch. Einer war geistesgegenwärtig, rief den Manager von seinem Handy an, dem ich meine missliche Lage schilderte. Auch er kannte das Enjoy Desert Camp nicht, Suleyman erwähnte ich nicht, um nicht noch einmal ausgelacht zu werden. Der Manager hiess mich, mich nicht von der Stelle zu rühren, er würde herkommen, um mir helfen.


Ich fragte den hilfsbereiten Handwerker mit Handzeichen, ob ich sein Ladekabel für mein Handy nutzen durfte. Nicht nur das, sondern auch einen köstlichen arabischen Kaffee mit Kardamom reichte er mir. In dem Moment, als ich im Begriff war, mein Gerät anzuschliessen, fuhr ich über das Display und – es ward Licht! Und es hatte immer noch 60 % Akku. Das Handy war gar nicht tot, sondern ich hatte versehentlich das Displaylicht gedimmt. Mein Missgeschick behielt ich für mich, aber ich verkündete dem Handwerker und dem eingetroffenen Manager freudig, dass ich wieder Zugriff auf den Positionstracker hatte. Oh Wunder, es waren überschaubare Kilometer um ein paar Felsbrocken und ich trudelte zum Abendessen in meiner Herberge ein.


(10.-12. März 2023 | Jordanien)


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